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Über Grenzen hinweg
Ein Buch zur Bedeutung des Internets für globale Proteste

Wie entstehen transnationale zivilgesellschaftliche Netzwerke in und durch das Internet und welches Potenzial entfalten sie? Diese Fragestellung, die der Medien- und Kulturtheoretiker Rainer Winter in seinem Buch »Widerstand im Netz« untersucht, setzt voraus, dass es diese übergreifenden (Netz-)Öffentlichkeiten gibt. Winter bejaht dies, da er davon ausgeht, dass es durch das Netz neue Möglichkeiten zur Kommunikation gibt, die nicht mehr an den Nationalstaat gebunden sind und die durch das Prinzip der Betroffenheit entstehen. Im Kampf für soziale Gerechtigkeit weltweit werde das emanzipatorische Potenzial des digital grundierten Kosmopolitismus deutlich. Sicher: Die Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung seit 1999 oder seit dem Aufstand der Zapatistas in Mexiko 1994 sind ohne das Internet kaum denkbar. Wie viele politisch engagierte Menschen aber wirklich an transnationaler Kommunikation teilnehmen oder sie gar aktiv gestalten, dazu gibt es wenig verlässliche Informationen.
Zuerst liefert Winter aber allgemeine Informationen zum Internet: Einerseits zur absoluten Dominanz der kommerziellen Bereiche, aber auch zur emanzipatorischen Nutzung von unten, vor allem im Zuge des Web 2.0. Er diskutiert weiter die Perspektiven demokratischer Öffentlichkeiten im Netz, die er sehr positiv einschätzt, und stellt zivilgesellschaftliche virtuelle Netzwerke vor, unter anderem die Umweltorganisation Friends of the Earth und APC, die Association for Progressive Communication. Beide Organisationen arbeiten global, APC zum Beispiel hat 51 Mitgliedsorganisationen in 34 Ländern auf allen fünf Kontinenten.
Abschließend empfiehlt Winter der institutionellen Politik, doch stärker auf die zivilgesellschaftlichen Netzwerke zuzugehen. Diese hätten das demokratische Potenzial des Internets schließlich erst geschaffen und Problem- und Reflexionskompetenzen entwickelt. Damit dampft er den transnationalen, durch das Internet ermöglichten Protest auf Politikberatung und billigen Zulieferer neuer Ideen für globale Institutionen herunter und nimmt jeden herrschaftskritischen Aspekt aus dem Diskurs. Zwar verstehen viele Nichtregierungsorganisationen ihr politisches Wirken in einem solchen »zivilgesellschaftlichen« Rahmen des Lobbyismus, der Ergänzung und Reformierung herrschender Politik. Für eine Transformation der wirtschaftlichen Verhältnisse ist aber mehr nötig, und auch im Netz für die, die danach suchen, zu finden. Diese Perspektive hat Winter aber nicht, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass sein Buch aus einer Studie entstanden ist, die er 2004 für das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages verfasst hat.

Bernd Hüttner

Rainer Winter: Widerstand im Netz. Zur Herausbildung einer transnationalen Öffentlichkeit durch netzbasierte Kommunikation; transcript-verlag, Bielefeld 2010, 165 S., 18,80 EUR.

Quelle: Neues Deutschland, APO-Seite 5.1. 2011

https://www.tagesspiegel.de/politik/juergen-trittin-mit-joghurt-beworfen-/1940158.html

Beim Anfang September über die Bühne gegangenen, weltweit bedeutenden Festival digitaler Kunst Ars Electronica 2010 kam es bei der Aufzeichung einer vom Institute for Science and Technology Austria (ISTA) ausgerichteten Podiumsdiskussion für den 'Club 2' des Österreichischen Rundfunk (ORF) zu einem mittelgroßen Eklat. AktivistInnen der unibrennt Bewegung besetzten nach in etwa einer Stunde die Bühne und übernahmen die Moderation der bis dahin teilweise mit sehr harte Bandagen geführten Diskussion.

gescheiterte Club 2 Podiumgsdiskussion bei der Ars Electronica

Der Besetzung der Bühne waren heftige Wortgefechte und Beleidigungen vorangegangen, so dass der Moderator kurzzeitig die Gesprächsführung niederlegte und die Runde verließ. Zu seiner Rückkehr kam es nicht mehr. Eine der eingeladenen Diskussionsteilnehmerinnen, die Vertreterin der unibrennt Bewegung, forderte von der Bühne aus das Publikum auf, den Club 2 zu übernehmen, worauf gut 6 AktivistInnen auf die Bühne in der Tabakfabrik in Linz kletterten und "eine neue Diskussionskultur" ausriefen.

ORF verweigert Ausstrahlung des Club 2
Die Aufzeichnung wurde etwas später interessanter Weise nicht vom ORF sondern der Organisation der Ars Electronica abgebrochen. Die Ausstrahlung des Club 2 wurde vom ORF mit Hinweis auf den Tod von Claude Chabrol und eine kurzfristig angesetzte Retrospektive seines Werks abgesagt.

Eine Aufzeichnung der Podiumsdiskussion kursiert aber seit kurz nach Abschluss des Ars Electronica Festivals im Netz.

Diskussion "REPAIR - sind wir noch zu retten"
Der Veranstalter der Podiumsdiskussion hatte bereits ein Experiment angekündigt. Das ISTA, in Österreich landläufig unter der Bezeichnung Elite-Uni bekannter, war von der Ars Electronica ja mit einer großangelegten Evaluierung beauftragt worden, die bei dem diesjährigen Festival mit dem Titel "REPAIR - sind wir noch zu retten" präsentiert wurde und eben diese Frage aus der Sicht der Wissenschaft abklopft.

Wegweiser zur Podiumsdiskussion

Nach dem bereits der 500 Seiten starke Evaluationsbericht, von Prof. Stefan M. Seydel als "Die Form der Unruhe" publiziert, bei der Ars aber mit der Überschrift "REPAIR - sind wir noch zu retten" ausgegeben wurde, war es nur naheliegend auch die Diskussionsrunde mit dieser Frage zu konfrontieren. Das "Experiment" zielte auf die Zusammensetzung der geladenen DiskussionsteilnehmerInnen.

Explosive Einladungspolitik
Auf der einen Seite ein Unternehmer aus der Werbebranche, ein Sektionschef des Innenministeriums und Seydel, der Studienautor und Vertreter des Gastgebers. Auf der anderen Seite unbekannte Gesichter der autonomen Szene verschiedener Bereiche, so etwa ein freier Journalist, der mit kritischen Büchern zur Subprime-Krise aufgefallen war, eine Vertreterin einer selbstorganisierten Migrantinnenorganisation, ein Buchautor und ehemaliger Betriebsrat der ehemaligen Verstaatlichten Industrie und die Vertreterin der unibrennt Bewegung. Etwas überraschend kam da die Einladung von Sigrid Maurer, der Vorsitzenden der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), die von den Herren wohl zur Seite der unzufriedenen Protestierenden gerechnet wurde, von den ExponentInnen der autonomen GesellschaftskritikerInnen aber zum Establishment.

Aktionen und Proteste waren geplant
Die Vertreterin der unibrennt Bewegung war zur für den Club 2 aufgezeichneten Diskussion deswegen zugelassen, weil das Festival der Bewegung einen Preis in der Kategorie "Digital Communities" zugesprochen hatte. Medien hatten daraufhin bereits im Vorfeld des Festivals vor Aktionen aus dem Dunstkreis der Bewegung gewarnt. Das hielt weder das ISTA, die Leitung der Ars Electronica noch den ORF von Ankündigungen der Podiumsdiskussion ab.

ISTA auf der ARS Electronica

Bereits mit der Eröffnung der Diskussion und der ersten Runde unter den Diskussionsteilnehmern begann sich abzuzeichnen, dass das Experiment scheitern würde, autonome und unversöhnliche Gesellschaftskritikerinnen an einen Tisch mit Leistungsträgern zu setzen. Die Vetreterin der autonomen Migrantinnen schockierte gleich zu Beginn damit, dass sie einen schweren Vorschlaghammer zur Diskussion mitgenommen hatte. Der Ton zwischen den DiskutantInnen war bald so ruppig, dass Zuschauer in der Tabakfabrik, dem Ausstellungsort des Festivals, unruhig wurden und sich im Hintergrund empörten.

Anschlag mit Wasserbomben verhindert
Da die Bühne der geplanten Club 2 Diskussion im Ausstellungsbereich "TELE-Internet" des Kurators Aram Bartholl gelegen war, kam es noch zu weiteren Komplikationen. Im nahegelegenen Hackerspace waren Künstler rund um das Wiener Metalab so erbost, dass sie spontan Wasserbomben mit den Luftballonen eines Sponsors anfertigten und unter dem Publikum verteilten.

Wasserbomben werden im Publikum verteilt

Diese kamen glücklicher Weise vorort nicht zum Einsatz, spielten aber später bei Übergriffen im Excecutive Zigarren Club des ISTA eine Rolle. Zu diesem exklusiven Abschluss ihres Engagements bei der Ars Electronica hatte die Elite-Uni ausgewählte Gäste geladen. Der Empfang fand trotz des vorangegangenen Eklats im 5. Stock der Tabakfabrik wohl noch statt, wurde allerdings von deutlich weniger Besuchern aus Politik, Kunst und Wissenschaft besucht, als sich die Gastgeber wohl vorgestellt hatten.

Hier ist die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion zu sehen, die der ORF nun nicht mehr auszustrahlen gewillt ist, auch wenn eine Club 2 Ausstrahlung selbstverständlich stark gekürzt und geschnitten werden könnte:


In den letzten Jahren ist als Trend zu verzeichnen, dass linke Gruppen und Bewegungen vermehrt subversive Aktionsformen oder Kommunikationsguerilla-Methoden für ihre politischen Interventionen nutzen. Sie knüpfen dabei an Aktionen an, die in den 60er/70er Jahren, aber auch schon früher, eher am Rande von revolutionären und anderen Protestbewegungen entwickelt wurden (z.B. durch die Situationistische Internationale, die Gruppe Spur, Subversive Aktion, Youth International Party). Diese Form der Praxis resultierte auch aus einer Unzufriedenheit mit traditionellen auf Massenmobilisierung zielenden Aktivitäten und der Unflexibilität großer Organisationen, geht meist von kleinen, wenig organisierten Gruppen aus und hat zum Ziel, die öffentliche Kommunikation zu stören und/oder durch eine subversive Nutzung etablierter Kommunikationsformen marginalisierte Inhalte in den öffentlichen Diskurs zu bringen.
Im Gegensatz zu diesem Trend gibt es relativ wenig theoretische Reflexionen, die die neuen Aktionsformen und ihre Attraktivität aus einer historischen, gesellschaftstheoretischen und sozialpsychologischen Perspektive in den Blick nehmen (erste Ansätze dazu gibt es z.B. in Büchern wie "Handbuch für Kommunikationsguerilla" oder "SUBversionen", ansonsten bleiben Publikationen zum Thema meist beschreibend). Um die politischen Potentiale, aber auch Schwächen dieser Interventionsformen genauer zu bestimmen, halten wir eine solche kollektive Theoriearbeit für notwendig – gerade angesichts der fehlenden Beständigkeit und der Vereinzelung der politischen Gruppen, die eine Tradierung der Erfahrungen und Reflexionen erschwert.
Grundsätzlich wäre danach zu fragen, in welcher historischen Situation sich diese Aktionsformen herausbildeten und -bilden, d.h. auf welche gesellschaftlichen Erfahrungen und Veränderungen damit reagiert wird. Vor diesem Hintergrund ginge es dann um eine Analyse der Funktionsweise dieser Aktionen und eine Einschätzung ihres politischen Werts für eine emanzipatorische Praxis. Welche Ziele verfolgen die politisch intendierten Aktionen (Sabotage, Irritation, Aufklärung, Aufbrechen verhärteter Strukturen, Agitation…)? Was macht die Attraktivität dieser Formen aus, welche psychischen Funktionen haben sie für alle Beteiligten von den InitiatorInnen bis zu den AdressatInnen, welche Hoffnungen knüpfen sich an sie? Welches Verhältnis haben sie zur medialen Öffentlichkeit, ist diese Zielscheibe, Medium oder im Gegenteil das Organ, welches die Aktion zum Spektakel macht? Gerade angesichts der Tatsache, dass mittlerweile nicht nur die Werbeindustrie, sondern auch rechte Gruppen mit solchen Aktionsformen arbeiten, ist genauer danach zu fragen, in welchen Situationen und Bereichen und unter welchen Umständen welche Formen der Intervention wirklich als Teil eines kritischen und emanzipatorischen Projekts zu verstehen sind.

Um diese und ähnliche Fragen diskutieren zu können, wird vom 19. bis 20.3. in Hannover eine kleine Tagung stattfinden, für die wir interessierte und interessante ReferentInnen suchen. Veranstalterin ist eine schon länger praktisch und theoretisch tätige Gruppe, die aus den Studierendenprotesten 2003 in Hannover hervorging und seither im inner- und außeruniversitären Kontext möglicherweise subversive Gesellschaftskritik zu betreiben versucht. Auf der Tagung soll es um eine theoretisch fundierte Selbstreflexion politischer Praxis und einen regen Austausch gehen, weniger um akademische, auf eine breite Öffentlichkeit bedachte Präsentation. Geplant sind 20minütige Vorträge, die immer auch einen Bezug zur konkreten Praxis haben sollen und bei Bedarf auch auf einem vorher verschickten, kurzen eigenen oder fremden Text oder anderen Materialien aufbauen dürfen. Im Anschluss an die Vorträge soll rege diskutiert werden.
Anreisekosten der ReferentInnen werden von uns übernommen und wir organisieren auch private Übernachtungsplätze.

Wir freuen uns über jegliche Referatsvorschläge (1 Seite), die bis zum 1.11. bei subversionstagung@gmx.de eintrudeln sollen. (Natürlich freuen wir uns auch über Mails, die nichts mit dem Thema zu tun haben.)

Nicht nur spaßig
Zur nachruflichen Entsorgung Fritz Teufels


Im neuesten ak (ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 552 / 20.8.2010) gibt es eine Würdigung der Würdigungen:

Am 6. Juli starb Fritz Teufel. Er wurde 67 Jahre alt. Ende der 1960er Jahre bekannt geworden durch provozierende Polit-Aktionen und als Mitbegründer der Berliner "Kommune 1", verbrachte Teufel acht Jahre in Haft, unter anderem als Mitglied der Bewegung 2. Juni. Wir baten Klaus Viehmann, der mit Fritz Teufel 1980 zusammen im Moabiter Hochsicherheitstrakt saß, um eine kritische Durchsicht der Nachrufe auf den "Clown mit der Schrottflinte" (Tagespiegel und taz).

Der ganze Artikel

 

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